VERSICHERUNGSRECHT: Unterversicherungseinwand bei (fiktiver) Überversicherung

Beruft sich im Schadensfall eine Gebäudeversicherung auf eine Unterversicherung, sollte man überprüfen, ob die Unterversicherungsquote richtig berechnet ist und nicht auch eine (fiktive) Überversicherung berücksichtigt.

Situation (Gebäudeversicherung): Für ein zerstörtes Gebäude stellt der Gutachter nach dem Schadensfall eine Unterversicherung fest. Er berechnet eine erforderliche Versicherungssumme in Höhe von 45.600 Mark (1914), den Schaden zum Neuwert berechnet er mit 25.900 Mark (1914).

Damit besteht eine fiktive Überversicherung in Höhe von 19.700 Mark (1914). Bei der Berechnung des Betrages der Entschädigung durch die Versicherung ist diese Überversicherung zu beachten.

Warum? Die Versicherung würde den Schaden höchstens zum Neuwert regulieren, es besteht nämlich kein Anspruch auf Regulierung bis zur Höhe der Versicherungssumme, § 74 VVG.

Wenn der Versicherungsnehmer aber keinen Anspruch auf Regulierung bis zur maximalen Versicherungssumme hat, hat die Versicherung umgekehrt keinen Anspruch auf Reduzierung ihrer Versicherungsleistung auf Basis der gesamten Versicherungssumme. Sie würde nämlich selbst bezogen auf den Anteil, der die Überversicherung betrifft, zu keinem Zeitpunkt aus dem Versicherungsvertrag leisten.

Beispiel (wie oben): Ein Gebäude ist mit 17.500 Mark (1914) (zu niedrig) versichert.

Die fiktive (vom Gutachter berechnete) Versicherungssumme beträgt 45.600 Mark (1914). Den Schaden zum Neuwert berechnet der Gutachter aber nur mit 25.900 Mark (1914).

Nun beruft sich die Versicherung auf die Unterversicherung. Sie berechnet ihre Entschädigungsquote wie folgt:

17.500 Mark (1914) × (17.500 Mark (1914) / 45.600 Mark (1914))

oder

17.500 Mark (1914) × 38,38 % = 6.716 Mark (1914).

Hier dürfte die Unterversicherungsquote zu hoch ausfallen, da die Versicherung die höhere Versicherungssumme, und nicht den niedrigeren Versicherungswert zugrunde gelegt hat. Da die Versicherung selbst nur bis zur Höhe des Schadens zum Neuwert in Höhe von 25.900 Mark (1914) einen Schaden ausgeglichen hätte, müsste sie richtigerweise und unter der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen beider Parteien ihre Entschädigungsquote wie folgt berechnen:

17.500 Mark (1914) × (17.500 Mark (1914) / 25.900 Mark (1914))

oder

17.500 Mark (1914) × 67,57 % = 11.824 Mark (1914).

Die Entschädigungsquote hat sich um über 5.100 Mark (1914) oder 76 % auf 11.824 Mark (1914) erhöht, da der Anteil der Versicherungssumme, der eine Überversicherung darstellt, nicht mehr berücksichtigt ist, da der niedrigere Versicherungswert maßgeblich wäre.

Und so findet man im relevanten Versicherungsvertrag nach längerem Suchen folgende Regelung in den Versicherungs-AGB:

„Ist die Versicherungssumme zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles erheblich niedriger als der Versicherungswert der versicherten Sachen (Unterversicherung), wird die Entschädigung im Verhältnis der (vertraglichen) Versicherungssumme zum Versicherungswert gekürzt. Entsprechendes gilt für die Berechnung der Entschädigung versicherter Kosten und versicherten Mietausfalles). “


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Bearbeiter: Rechtsanwalt (RA) Olaf Römmelt – Kanzlei Römmelt Hilden



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