INSOLVENZRECHT: Keine Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO auch bei Pfändung in offene Kreditlinie

Keine Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO auch bei Pfändung in offene Kreditlinie (bei Kreditabruf durch den Gemeinschuldner)

Im Rahmen des Insolvenzrechts besteht die allgemeine Auffassung, außerhalb des Dreimonatszeitraumes vor dem Insolvenzantrag kann nicht viel passieren. Denkt man und vergisst § 133 InsO.

Im aktuellen Fall hatte die Gläubigerin, unsere Mandantin, eine Kontopfändung aus Versäumnisurteil ausgebracht. Infolge der Kontopfändung kehrte die Bank den gepfändeten Betrag aus und die Sache war eigentlich erledigt.

Ein Dreivierteljahr später meldet sich nun aber der Insolvenzverwalter und verlangt die Zahlungen der Gemeinschuldnerin, welche auf Veranlassung und ausdrückliche Anweisung dieser erfolgt seien und deswegen liege eine anfechtbare Rechtshandlung der Schuldnerin vor, zurück.

Wäre so aber nicht richtig, daher unsere Antwort:

„(..) Eine Anfechtung außerhalb des 3-Monats-Zeitraumes dürfte vorliegend nicht begründet sein. Klarstellend verweisen wir auf das BGH-Urteil vom 22. November 2012, IX ZR 142/11. Eine Zahlung aus gepfändetem Guthaben stellt danach keine anfechtbare Rechtshandlung dar, weil der Gläubiger zur abgesonderten Befriedigung berechtigt ist und das Pfändungspfandrecht selbst nicht der Anfechtung nach § 133 InsO unterliegt. (..).“

Daraufhin schreibt der Kollege, dass die Entscheidung des BGH nur den Fall betreffe, wenn zum Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses ein Guthaben auf dem Konto vorhanden gewesen wäre, welches pfändbar war. Die Pfändung der Ansprüche der Schuldnerin aus der offenen Kreditlinie sei zwar grundsätzlich wirksam; ein Pfandrecht an Forderungen aus dem Kreditverhältnis werde jedoch vor Abruf der Einzelbeträge nicht begründet. Denn bei einem Dispositionskredit bestehe vor dem Abruf durch den Darlehensnehmer noch kein Anspruch auf Auszahlung gegen die Bank, den ein Pfandgläubiger ohne Mitwirkung des Kreditinhabers einziehen könne. Der Kontokorrentkredit stelle es vielmehr ins Belieben des Kontoinhabers, ob er die Kreditlinie in Anspruch nehme.

Dieser Ansicht sind wir immer noch nicht gefolgt und haben darauf erwidert:

„(..) Bezogen auf den Kontokorrentkredit würde die Anfechtung der von der Gemeinschuldnerin veranlassten Überweisungen daran scheitern, dass die Gemeinschuldnerin nicht an dem Pfändungspfandrecht mitgewirkt hat und Zahlungen nur auf das Pfandrecht erfolgt sein können. Da das Pfandrecht nicht anfechtbar ist, sind auch die Zahlungen darauf nicht anfechtbar (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 19.09.2008, 5 U 96/08, Rn. 18/19). (..).“

Dazu das zitierte OLG Rostock:

„(..) Da das Pfandrecht des beklagten Landes nicht anfechtbar ist, scheitert auch die Anfechtung der von der Schuldnerin veranlassten Überweisungen. Zwar ist der für die Pfändbarkeit des eingeräumten Kontokorrentkredits erforderliche Abruf des Kredits eine vom Willen der Schuldnerin getragene Handlung. Auch für den Senat steht außer Frage, dass insoweit für die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO erforderliche Rechtshandlungen der Schuldnerin gegeben sind. Hat jedoch – wie hier das beklagte Land – der Gläubiger ein anfechtungsfestes Pfandrecht erworben, so braucht er davon gedeckte Zahlungen nicht zurückzugewähren, weil sie die Gläubiger nicht benachteiligen (BGH, Urt. v. 21.03.2000, IX ZR 138/99, ZIP 2000, 898, 899 m.w.N.; Urt. v. 10.02.2005, IX ZR 211/02, a.a.O.). Die Zahlungen sind durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 21.10.2002 und vom 30.01.2003 gedeckt; sie sind auf diese Pfandrechte aus der von dem beklagten Land gepfändeten Forderung geleistet worden. Für eine vom Bestehen des Pfandrechts unabhängige Zahlung fehlt jeder Anhaltspunkt.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.10.2007 (IX ZR 157/06, a.a.O.) , auf das der Kläger in diesem Zusammenhang verweist, rechtfertigt keine abweichende rechtliche Wertung. In dem dort zu entscheidenden Fall hatte der Pfändungsgläubiger die Verfügungsmacht des Schuldners über sein Geschäftskonto durch eine Erklärung gegenüber dem Drittschuldner teilweise wiederhergestellt. Erst danach hatte die Schuldnerin die Überweisungen der Drittschuldnerin von ihrem Geschäftskonto an die Gläubigerin veranlasst. Da aber die Pfändung zukünftiger Forderungen erst mit dem Abruf als vorgenommen gilt und Wirkung entfalten kann, stand der Gläubigerin für die nach Einräumung der Verfügungsmacht folgende Überweisung der Schuldnerin kein insolvenzfestes Pfändungspfandrecht zu. Anders ist die Sachlage hier. Da der Schuldnerin ein Verfügungsrecht über das gepfändete Konto nicht eingeräumt war, haben die insolvenzfesten Pfändungen mit Abruf des Kontokorrentkredits ihre Wirksamkeit entfaltet, so dass vorliegend eine Gläubigerbenachteiligung nicht gegeben ist. Damit entspricht der hier zu entscheidende Sachverhalt dem, den der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 22.01.2004 (IX ZR 39/03, NJW 2004, 1444 f.) entschieden hat, soweit er dort die Revision der Insolvenzverwalterin gegen die Abweisung ihrer Klage in Höhe von 2.889,97 € (5.652,29 DM) mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass der Beklagte außerhalb des von § 131 InsO geschützten Zeitraumes ein Pfandrecht erworben habe, soweit der Kredit in dieser Zeit nicht ausgeschöpft war und der Schuldner ihn durch eine ihm zuzurechnende Verfügung in Anspruch genommen hat.

Mit seinem Einwand, er habe den Abruf der Kreditmittel durch die Schuldnerin angefochten, so dass das Pfandrecht des beklagten Landes nicht wirksam geworden sei, dringt der Kläger nicht durch. Der Abruf für sich genommen ist nicht anfechtbar, weil die – einseitige – Zahlungsanweisung (§§ 665, 783 BGB) des Schuldners an das Kreditinstitut seine Gläubiger noch nicht benachteiligt, solange sie frei widerruflich ist (Kirchhof in MünchKomm, InsO, 2. Aufl., § 129 Rn 144). Erst ihre dem Schuldner zuzurechnende Ausführung zugunsten des Empfängers kann gläubigerbenachteiligend wirken (a.a.O.), weil erst dann der von der Bank eingeräumte Kredit Schuldnervermögen ist. (..).“


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Bearbeiter: Rechtsanwalt (RA) Olaf Römmelt – Kanzlei Römmelt Hilden


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