WEG-RECHT: Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit, die Folgen inhaltlicher Unbestimmtheit bei WEG-Beschlüssen

Im Wohnungseigentumsrecht (WEG) spielt die Wirksamkeit von Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft eine zentrale Rolle. Dabei kann inhaltliche Unbestimmtheit in Beschlüssen zu Rechtsfolgen führen, die zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit unterscheiden. Dieser Artikel beleuchtet, wie der Bundesgerichtshof (BGH) die verschiedenen Arten inhaltlicher Unbestimmtheit beurteilt und welche Rechtsfolgen daraus resultieren.

Arten der inhaltlichen Unbestimmtheit
Die Rechtsprechung unterscheidet drei Hauptarten von inhaltlicher Unbestimmtheit:

1. Fehlende Klarheit des Beschlussinhalts
– Beschreibung:
Ein Beschluss ist unklar formuliert, sodass der Inhalt oder Regelungsgegenstand nicht eindeutig erkennbar ist.
– Beispiele:
– Vage Formulierungen ohne Bezug auf konkrete Umstände oder Dokumente.
– Keine klare Beschreibung des zu regelnden Sachverhalts.
– Rechtsfolge:
– Der Beschluss ist anfechtbar, nicht nichtig.
– Grund: Die Unklarheit beeinträchtigt zwar die Rechtsklarheit, macht den Beschluss aber nicht von vornherein undurchführbar.

2. Innere Widersprüchlichkeit
– Beschreibung:
Der Beschluss enthält widersprüchliche Regelungen, die eine eindeutige Umsetzung unmöglich machen.
– Beispiele:
– Ein Beschluss fordert gleichzeitig die Genehmigung und Ablehnung derselben Maßnahme.
– Gegensätzliche Anforderungen innerhalb eines Beschlusses.
– Rechtsfolge:
– Der Beschluss ist nichtig.
– Grund: Widersprüchliche Inhalte führen zu rechtlicher und praktischer Undurchführbarkeit, was der Bindungswirkung eines Beschlusses widerspricht.

3. Rechtliche Unmöglichkeit
– Beschreibung:
Der Beschluss verstößt gegen zwingende gesetzliche Vorschriften, überschreitet die Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft oder regelt objektiv nicht Umsetzbares.
– Beispiele:
– Ein Beschluss, der Änderungen am Grundbuch ohne notarielle Vereinbarung fordert (§ 10 Abs. 2 WEG).
– Maßnahmen, die physikalisch oder rechtlich nicht realisierbar sind.
– Rechtsfolge:
– Der Beschluss ist nichtig.
– Grund: Rechtlich unmögliche Inhalte können keine rechtlichen Wirkungen entfalten.

 

Zitate aus der BGH-Entscheidung vom 11. Oktober 2024 (Az. V ZR 261/23)

Fehlende Klarheit: Nur Anfechtbarkeit

Der BGH stellt klar, dass ein Beschluss allein aufgrund unklarer Formulierungen nicht nichtig ist, solange eine „durchführbare Regelung noch erkennbar“ bleibt. Er führt aus:

„Die Unbestimmtheit eines Beschlusses führt jedenfalls dann nicht zur Nichtigkeit, wenn der Beschluss eine durchführbare Regelung noch erkennen lässt, die Unbestimmtheit also nicht auf inhaltlicher Widersprüchlichkeit beruht.“
(BGH, Az. V ZR 261/23, Rn. 40)

Innere Widersprüchlichkeit: Nichtigkeit

Ein widersprüchlicher Beschluss ist nach Auffassung des BGH nicht durchführbar und daher nichtig:

„Ein Beschluss, dessen Inhalt in sich widersprüchlich ist, lässt keine klare Regelung erkennen und ist von Anfang an unwirksam.“
(BGH, Az. V ZR 261/23, sinngemäß Rn. 38)

Rechtliche Unmöglichkeit: Nichtigkeit

Der BGH hebt hervor, dass rechtlich unmögliche Beschlüsse keine Grundlage für ihre Umsetzung haben können:

„Beschlüsse, die gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoßen oder die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft überschreiten, sind nichtig.“
(BGH, Az. V ZR 261/23, sinngemäß Rn. 42)

Praxisrelevanz

Die Differenzierung zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit hat erhebliche praktische Bedeutung:

  • Anfechtung: Ein anfechtbarer Beschluss muss innerhalb eines Monats nach der Beschlussfassung durch Klage angegriffen werden (§ 45 Satz 1 WEG). Erfolgt keine Anfechtung, bleibt der Beschluss wirksam.
  • Nichtigkeit: Ein nichtiger Beschluss kann jederzeit geltend gemacht werden, auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist. Dies bietet Rechtsklarheit und Schutz vor unwirksamen Beschlüssen.

Fazit

Die BGH-Rechtsprechung stellt sicher, dass schwerwiegende Mängel wie Widersprüchlichkeit oder rechtliche Unmöglichkeit zur Nichtigkeit führen, während die Möglichkeit der Anfechtung bei Unklarheiten eine verhältnismäßige Lösung bietet. Wohnungseigentümer und Verwalter sollten diese Unterschiede kennen, um Beschlüsse rechtssicher abzufassen oder zu bewerten.


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Bearbeiter: Rechtsanwalt (RA) Olaf Römmelt – Kanzlei Römmelt Hilden