PROZESSRECHT: Unterlassungsanspruch und Wahrnehmung berechtigter Interesse (§ 193 StGB)

Im Rahmen der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen bei Persönlichkeitsverletzungen stellt sich die Frage, wann sich eine Partei bei Äußerungen im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nicht mehr auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) berufen kann.

Konkretes Beispiel:
Anlässlich eines einstweiligen Verfügungsverfahrens äußert der Antragsgegner im Kostenfestsetzungsverfahren, der Antragsteller habe auch versucht, sein Haus anzuzünden, ohne dabei jedoch selbst den Sachverhalt zu konkretisieren oder eine Anknüpfungstatsache zu nennen.

Der Rechtspfleger lässt diese Einlassung unberücksichtigt und erlässt den Kostenfestsetzungsbeschluss.

Nach dem Kostenfestsetzungsbeschluss erfolgt wieder eine schriftliche Stellungnahme des Antragsgegners, in der der Antragsgegner wiederum behauptet, der Antragsteller habe versucht, sein Haus anzuzünden, ohne diese Behauptung wiederum näher zu konkretisieren.

„Unser XXX wurde …zerbrochen und Sie wollten unser Haus anzünden.”

Die Frage wäre nun, ob der Antragsgegner noch im Rahmen der Geltendmachung berechtigter Interessen handelt und sich somit auf den Rechtfertigungsgrund von § 193 StGB berufen kann oder ob er außerhalb dieses Rechtfertigungsgrundes operiert und mithin der Antragsteller erneut rechtliche Schritte gegen den Antragsgegner einleiten kann.

Ein interessantes Unterscheidungskriterium lässt sich der Entscheidung des Landgerichts Landstuhl entnehmen (Urteil vom 16. Januar 2008, Az. 13 S 2023/07):

Rn. 19: (..) Soweit das Amtsgericht ausgeführt hat, dass eine Rechtfertigung gem. § 193 StGB wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen schon deshalb ausscheide, weil keine wahrheitsgemäßen Tatsachenäußerungen vorlägen, so wird übersehen, dass im Rahmen der Prüfung des § 193 StGB die Wahrheit der Tatsachenbehauptung zu unterstellen und zu fragen ist, ob der Mitteilende berechtigte Interessen wahrgenommen hätte, wenn der Wahrheitsbeweis gelungen wäre. Denn ohne dieses Hilfsmittel würde § 193 StGB leerlaufen (Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl.,, 6. Kapitel Rn. 72 m.w.N.).“

Eine Tatsachenbehauptung ist demnach als wahr zu unterstellen und sodann zu prüfen, ob der Mitteilende berechtigte Interessen wahrgenommen hätte.

Rn. 20: „Die Zuerkennung des Rechtfertigungsgrundes der Wahrnehmung berechtigter Interessen setzt allerdings weiter voraus, dass die Behauptungen des Beklagten auf sorgfältigen Recherchen beruhen (Wenzel-Burkhardt, a.a.O., 6. Kapitel Rn. 73). Diese Anforderungen sind angesichts der Schwere der gegen den Kläger erhobenen Beschuldigungen hoch anzusetzen.”

Die Wahrnehmung berechtigter Interessen würde demnach eine sorgfältige Konkretisierung voraussetzen.

Eine sorgfältige Konkretisierung wäre demnach ein Fall einer berechtigten Wahrnehmung von Interessen im Sinne von § 193 StGB.

Im oben genannten Fall würde der Antragsgegner außerhalb eines Rechtfertigungsgrundes im Sinne vom § 193 StGB operieren, da er keinerlei Anknüpfungstatsachen für den Vorwurf einer versuchten schweren Brandstiftung genannt hat.

Demnach müsste dem Antragsteller in einem weiteren Verfahren ein Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner zustehen.

Etwas anderes müsste sich JEDOCH ergeben, wenn der Antragsgegner vorgetragen hätte, der Antragsteller habe versucht, sein Haus anzuzünden, weil er zum Beispiel einen Feuerwerkskörper herübergeworfen habe.
In diesem Fall würde sich eine konkrete Anknüpfungstatsache ergeben, weswegen der Vorwurf „Hausanzünden” sich auf einen Tatsachenteil beziehen würde und der Antragsgegner dann berechtigte Interessen wahrgenommen hätte. Sein Vorwurf würde sich hier nicht auf eine schwere Brandstiftung beziehen, sondern auf die Gefahr einer Brandentstehung durch Feuerwerkskörper.


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Bearbeiter: Rechtsanwalt (RA) Olaf Römmelt – Kanzlei Römmelt Hilden